Finale
Deutschland - Argentinien | 1:0 n.V.
Rio de Janeiro | 13. Juli 2104
Material: Polyurethan
Herstellungstechnik: Thermotechnik, geklebt
Hersteller: Adidas, Herzogenaurach, Deutschland
Die erste Ballberührung tat gleich weh. Nach einer halbhoch geschlagenen Flanke geriet der Ball ins Flattern, der Tester verschätzte sich in der Flugbahn, stoppte den Ball mit dem Unterleib und sank mit stechendem Schmerz zusammen. Liegt so eine verunglückte Ballannahme nun am neuen Ball oder am Unvermögen des Testers? Die Szene ereignete sich wenige Wochen vor der WM 2014 bei einem Freizeitspiel in der Nähe des Münchner Verlagsgebäudes der Süddeutschen Zeitung. Eine Altherren-Mannschaft, darunter Redakteure der Tageszeitung, probierten erstmals den offiziellen Spielball der Fußballweltmeisterschaft in Brasilien aus. Überall sah man im Frühjahr 2014 Freizeitfußballer den Ball mit den bunten Schlangenlinien treten. Man wollte das Spielgerät schließlich kennen, bevor Mitte Juni das Eröffnungsspiel angepfiffen würde. Man wollte mitreden, als sich die ersten Spieler in Ausflüchte retteten und ihre Niederlage mit den Flugeigenschaften des neuen Balles mit dem klangvollen Namen Brazuca entschuldigten.
Adidas, dem Hersteller, kommt das immer wieder auflebende Gerede um die Eigenheiten des jeweiligen WM-Balles jedenfalls sehr entgegen. Von Jabulani, dem Vorgänger Brazucas, verkaufte man 13 Millionen Exemplare weltweit. Brazuca haben so viele Spieler wie nie zuvor in der Geschichte der WM-Bälle von Adidas getestet: 600 Profifußballer aus 30 Mannschaften dreier Kontinente, darunter Spieler wie Bastian Schweinsteiger, Lionel Messi oder Zinédine Zidane. Meister ihres Fachs, die den Ball offenbar für sehr akzeptabel halten. „Großartig“, schwärmte Iker Casillas, der Torwart der spanischen Nationalmannschaft. Verhaltener äußerten sich die Freizeitfußballer aus München: „Der flutscht zu sehr weg“ – „Sieht aus wie ein bunter Kinderball“ – „merkwürdige Oberfläche“ – „komische Flugbahn“. Nur der Torwart mag den Ball: „Liegt gut in der Hand.“
Die Diskrepanz zwischen Profi- und Hobbyfußballern in der Einschätzung des Balles lässt sich einfach erklären: Der Profi erhält Geld dafür, den Ball seines Ausrüsters gut zu finden, der Freizeitfußballer bezahlt viel Geld für ihn: 130 Euro. Natürlich hat sich das demonstrativ innige Verhältnis vieler Profis zum Ball während des Turniers abgekühlt. Natürlich können mangelndes Talent, fehlende Fitness oder Übung die Freude des Freizeitspielers an Brazuca getrübt haben. Außerdem darf bezweifelt werden, ob ein schlichter Freizeitspieler einen eventuellen Unterschied im Flugverhalten zwischen aktuellem WM-Ball und dem Vorgängermodell bemerken würde. Oder dass Brazuca nun aus sechs statt acht Plastiklappen zusammengeklebt wurde und maximal nur 0,2 Prozent Wasser aufnimmt. Oder dass Brazuca im Windkanal besser abgeschnitten hat als alle seine Vorgänger und die stabilsten Flugbahnen aufwies. Letztlich sind diese technischen Details und das Design und sogar die Testerbgebnisse der Forscher nebensächlich. Was allein zählt: Brazuca gibt seit 2014 allen Profis wie Freizeitfußballern eine plausible Entschuldigung für jede Niederlage.